The Pez Brothers’ Correspondence cover image

Einleitung

Zur Korrespondenz von Bernhard und Hieronymus Pez 1709–1715

In den letzten Monaten des Jahres 1709 wandte sich der sechsundzwanzigjährige Benediktiner Bernhard Pez aus dem niederösterreichischen Stift Melk mit seinen ersten Sendschreiben („Litterae encyclicae“) an zahlreiche Klöster und Kongregationen seines Ordens. Er legte in diesen Briefen dar, dass er unter dem Titel „Bibliotheca Benedictina“ ein Schriftstellerlexikon des gesamten Benediktinerordens zu verfassen gedenke und daher um Einsendung von einschlägigem Material aus den jeweiligen Klosterbibliotheken bitte. Implizite Hintergründe dieses Ansinnens waren einerseits der Impuls benediktinischer Selbstvergewisserung und Selbstbehauptung gegenüber anderen Orden, insbesondere dem der Jesuiten; andererseits, doch eng damit verwoben, die Verfechtung einer positiven, historisch begründeten Auffassung von Theologie1

Die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez2, Gastwirtssöhne aus der unweit Melk gelegenen Stadt Ybbs an der Donau, hatten 1700 respektive 1703 in Melk Profess abgelegt und dort sowie in Wien ihre Studien absolviert. Der Melker Konvent bot eine Fülle an intellektuellen Anregungen; bereits in zwei frühen Schriften hatten sich Bernhard Pez’ philologisch-historische Neigungen gezeigt3. Die Korrespondenz, die er 1709 initiierte, ging von einer benediktinischen Thematik und einem innerbenediktinischen Kommunikationsgefüge aus, gewann aber mit den Jahren ein zunehmend deutliches Profil auch außerhalb des Ordens. An dem in diesem Band edierten ersten Teil der Korrespondenz (1709–1715) lässt sich die Entwicklung bis hin zur ersten Wahrnehmung des Pezschen Forschungsvorhabens durch die protestantische Gelehrtenwelt ablesen.

In der folgenden Einführung werden einige Beobachtungen aus der Bearbeitung der Briefe4so gebündelt, dass für den Benutzer eine Einordnung in größere Zusammenhänge möglich ist. Der erste Abschnitt stellt die ersten sechs Jahre der PezKorrespondenz in ihren Berührungspunkten mit dem Konvent, dem Orden, der europäischen Gelehrtenwelt und dem Zeitgeschehen dar, beleuchtet vor diesem Hintergrund die literarische Produktion der Brüder und zeigt Anknüpfungspunkte an aktuelle Forschungsdebatten auf. Ein zweiter Abschnitt befasst sich auf der Basis des bearbeiteten Materials mit dem Gelehrtenbrief als Textgattung. Der dritte Abschnitt beschreibt die Überlieferungssituation der edierten Briefe; im abschließenden vierten Abschnitt werden die Anlage der Edition und die Editionsrichtlinien dargelegt und begründet.


1 WALLING, Gasthaus und Gelehrsamkeit 163–173. Zur positiven Theologie vgl. Abschnitt I.5.

2 Zu Leben und Werk der Brüder Pez: BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 411–443, 557–574; CORETH, Geschichtschreibung 100–105; FRANÇOIS, Bibliothèque générale 386f.; GLASSNER, Académie; GLASSNER, Thesaurus; GLASSNER, Verzeichnis; HAMMERMAYER, Forschungszentren 130–135; HAMMERMAYER, Maurinismus; HANTSCH, Pez und Dietmayr; HEER, Pez; HEILINGSETZER, Benediktiner 210f.; HURTER, Nomenclator 4 col. 1141–1145, 1553f.; KATSCHTHALER, Briefnachlass; KEIBLINGER, Melk 1 966–974; KROPFF, Bibliotheca Mellicensis 546–608, 677–682; LHOTSKY, Historiographie 117–121; MAYER, Nachlaß; MUSCHARD, Kirchenrecht 524–526; SCHÖNHOFER, Pez; WALLNIG, Gasthaus und Gelehrsamkeit; WALLNIG, Mönche und Gelehrte; WALLNIG, Mönch oder Gelehrter; WALLNIG, Pez und Mauriner; ZIEGELBAUERLEGIPONT, Historia rei literariae 1 446–450; 3 466–476. Lexikonartikel: GRÉGOIRE, Pez; HAMMERMAYER, Pez; KRONES, Pez Bernhard; KRONES, Pez Hieronymus; RUMPLER, Pez; SÉJOURNÉ, Pez Bernard; SÉJOURNÉ, Pez Jérôme; TROXLER, Pez Bernhard; TROXLER, Pez Hieronymus; WURZBACH, Biographisches Lexikon 22 145–150. Zu bisherigen Teileditionen der Pez-Korrespondenz vgl. Abschnitt III. – Wenn in der Folge nicht explizit von „Hieronymus Pez“ die Rede ist, so ist stets Bernhard Pez gemeint. Etlichen der in der Einleitung besprochenen Personen, Werke und Themen entsprechen Lemmata des Registers, die auf die entsprechenden Briefstellen bzw. auf das Korrespondentenverzeichnis (mit Literatur) verweisen. Aus diesem Grund wird in der Einleitung zumeist auf solche Verweise verzichtet.

3 WALLNIG, Gasthaus und Gelehrsamkeit 127–135 („Protrepticon philologicum“), 140–144 („De irruptione Bavarica in Tirolim“).

4 Zu Anlage und Fortgang des Editionsprojekts vgl. WALLNIG, Projektbericht.